(2010 Decv 2) The Sweetest Noise publishes 'Träume im Hexenhaus' + Robot Elephant interview

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(2010 Decv 2) The Sweetest Noise publishes 'Träume im Hexenhaus' + Robot Elephant interview

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Träume im Hexenhaus
Erstellt am Dezember 2, 2010 von Doc Nachtstrom

http://nachtstrom.fetznetz.it/Blair%20W ... 0Theme.mp3

Vielleicht hat das Witch House-Genre seinen Namen von der berühmten H. P. Lovecraft-Story Dreams in the Witch House, vielleicht wurde es auch inspiriert von The Blair Witch Project; mit dieser legendärsten aller Mockumentaries hat das Image dieses mysteriösen Musikstils übrigens viel mehr gemein als das Wort Witch.

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Da wäre zum Beispiel das postmoderne Spiel des Films mit den aus Ästen geformten mystischen Symbolen, die aufgrund mangelnder Erklärung auf nichts anderes als sich selbst verweisen; dies spiegelt sich wieder in Witch House-Bandnamen wie †‡† (aka Ritualzzz), ///???\\\ (aka Void), oder ▲▲▲. Weiters ähneln die unbekannten Blair Witch-Nobodys dem anonymen Image der Protagonisten der Witch House-Bands.

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Die krude Ästhetik der verwackelten Blair Witch-Handkameras findet sich in den bewusst amateurhaft gestalteten Videos von Bands wie Salem oder White Ring – auch das den ganzen Film über verspürte, schwer fassbare Gefühl des okkulten (= verborgenen) Bösen, welches knapp unter der Wahrnehmungsschwelle lauert, eher als Warnung oder dunkles Versprechen denn als hereinbrechendes Unheil, ist sowohl dem „Blair Witch Project“ wie auch vielen Witch House-Videos zu eigen. Das natürlich erinnert abermals an Lovecraft, dessen Stories von den ersten Sätzen an die verborgene Saat des Unheils erahnen lassen.

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Unheilsverkünder: H. P. Lovecraft

Ein letzter Vergleich: Die Blair Witch-Schauspieler waren in der Realität niemals nette Hollywoodtypen zum Anfassen; auch Witch House-Macher legen eher weniger bis gar keinen Wert darauf, als sympathische Zeitgenossen in die Musikgeschichte einzugehen. Als Rolemodels gelten hier Salem, deren mieses Image der Öffentlichkeit gegenüber geradezu phänomenal ist. Man möchte meinen, das Trio aus Michigan, USA lege es geradezu darauf an, die fiesen Crystal Castles wie superliebe Pop-Teddybären aussehen zu lassen: Mit einer Geschichte von disaströsen Auftritten, laufend nicht eingehaltenen Zusagen zu allen Arten von Presseterminen, enormen Schaden anrichtenden Selbstdarstellungen sowie dem irrwitzigen Versuch, einem Interviewer Speed zu verticken wird das wohl nichts mit der grossen Mainstream-Karriere.

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Bad Boys (+ Girl): Salem

Zum Glück gibt es Plattenlabels, denen ein solches Image der entsprechenden Musiker ebenso egal ist wie diesen wiederum ihr schiefes Bild in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Disaro etwa, ein Label aus Houston, Texas hat Salem, White Ring, oOoOO und weitere verwandte Geister unter Vertrag genommen und damit begonnen, deren Werke zuerst als CD-R’s, später auch auf Vinyl und als digitale Downloads zu veröffentlichen.

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Trotz dieser Bemühungen (und wohl auch so gewollt) kommt man an Witch House noch immer eher schwer heran; Suchmaschinen tun sich naturgemäß nicht leicht mit Bandnamen wie †‡†, weiters sind selbstgebrannte CD’s, Kassetten und nur in gewissen Foren zu findende Downloads dazu geeignet, die Aura des Geheimnisses über dem ganzen Movement schweben zu lassen. Allerdings, und das bei allem gebotenen Respekt für die mystische DIY-Attitüde, freut man sich dann doch, wenn die wichtigsten Witch House-Protagonisten einmal vereint auf einer vergleichsweise leicht erhältlichen LP mit schönem Layout und gehobener Soundqualität erscheinen.

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Dafür verantwortlich ist das in London beheimatete Label Robot Elephant, welches am 06. Dezember in Zusammenarbeit mit Disaro eine auf Vinyl und als Download erhältliche Compilation mit dem Tiotel ISVOLT herausbringt; darauf sind die derzeit wichtigsten Bands wie †‡†, Fostercare, Modern Witch, White Ring, ▲▲▲ und die großartigen Mater Suspiria Vision versammelt. Anlässlich dieses Releases hat TSN einen der beiden Labelgründer, Sebastian Weikart, zum Interview gebeten:

Hallo Sebastian, bitte stell uns mal dein Label Robot Elephant vor.

Robot Elephant Records existiert seit ca. November 2009, gegründet von mir – einem Exil-Deutschen in London, und Anthony Chalmers – ein Londoner Konzertpromoter (God Don’t Like It), um zuallererst Musik heraus zu bringen, die wir gut finden, jenseits aller Genredefinitionen. Im Grunde genommen lässt sich unser Geschäftsmodell so beschreiben: Wir bringen Musik heraus, die so gut wie niemand anders mag, auf einem veralteten Medium, welches so gut wie niemand mehr abspielen kann. Interessanterweise leben wir in einer Zeit, in welcher das sogar funktioniert.

Im Zeitalter der legalen und illegalen digitalen Downloads scheint ja die Gründung und das Betreiben eines Labels, dass auch physische Releases herausbringt, schon geradezu mutig. Was treibt dich da speziell an? Rechnet sich das noch oder ist das purer Enthusiasmus?

Wir mögen Vinyl-Schallplatten von ästethischer Perspektive aus und auch ein klein wenig aus Nostalgie und es gibt tatsächlich einen Markt dafür, insbesondere im Randbereich der Popmusik. Allerdings muss man, wie ich glaube, global denken, und so viele Kanäle wie möglich bedienen – alle unsere Releases werden auch als digitaler Download auf sovielen Plattformen wie möglich verfügbar sein und wir streben auch weltweite Distribution an für die physischen Produkte – wir konnten Cargo Records für uns gewinnen, die ISVOLT nach Europa, Japan und USA vertreiben. Außerdem hilft eine DIY-Vorgehensweise – was ich selbst mache, kostet so gut wie nichts, außer Schlafentzug. Ich fühle mich in meiner Tätigkeit halbwegs bestätigt, da im Moment viele kleine Labels, insbesondere in London aus dem Boden schiessen. Ich vermute, es gibt da einen Trend.

Am 06. Dezember bringt ihr ja in Kooperation mit dem Amerikanischen Kultlabel Disaro eine Witch House-Compilation heraus. Wie bist du auf diese noch recht junge Stilrichtung aufmerksam geworden und wie kam es zur Zusammenarbeit mit Disaro?

Ich bin vor circa einem Jahr auf Mater Suspiria Vision gestoßen, habe es aber zu dem Zeitpunkt nur als temporäres Phänomen mit kurzer Halbwertszeit ad acta gelegt, bis Anthony ca. ein halbes Jahr später erwähnte, dass er Disaro-Acts in London promoten will – Fostercare, †‡† (Ritualzzz), und eben Mater Suspiria Vision! Ich habe dann festgestellt, dass es dort mittlerweile eine unglaublich lebendige Szene gibt, welche von verschiedenen populären Bloggern wie z.b. Comicautor Warren Ellis und von Leuten wie Spencer (Manager von Rough Trade East Record Shop) und sogar von der Mainstream-Presse (es gibt mindestens 3 ausführliche Artikel im Guardian darueber, und mittlerweile in New York Times und anderen Magazinen!) ernst genommen und unterstuetzt wird. Zur selben Zeit habe ich auch Carl von Clan Destine Records getroffen, welcher auch z.B. Fostercare und Modern Witch auf CD-R und DVD heraus bringt, bzw. hat er auch eine Mater Suspiria Vision VHS im Angebot!

Recherchiert man zu Witch House im Internet, stösst man hauptsächlich auf Online-Magazine und Blogs, die sich darum raufen, ob „Witch House“ nun ein wirkliches Genre ist oder nur ein Fake. Wie siehst du das als Labelmacher?

Ich denke, „Witch House“ ist im Moment die ultimative, globale DIY Bewegung, zu welcher es nichts vergleichbares gibt. Alle anderen Musiktrends sind lokal begrenzt. Auf ISVOLT ist Musik von Künstlern von 3, oder je nach Definition 4 Kontinenten enthalten- Europa, Australien, Mittelamerika (Mexiko) und USA. Es ist nicht wirklich ein Genre, sondern vielmehr eine Szene.

Hört man sich die verschiedenen Bands auf der Compilation ISVOLT an, begegnen dem Hörer doch eine Vielzahl von Styles, von sehr langsamen Hip Hop Beats über Electronica mit Industrial-Einflüssen bis zur Electronic Body Music – wie würdest du den gemeinsamen Nenner der Bands auf ISVOLT beschreiben?

Ich denke, der Kern lässt sich so beschreiben: Es ist DIY / „Bed Room“ produzierte, innovative, globale elektronische Musik, die sich irgendwie unter dieser Bezeichnung vereinigt. Viele „Witch House“-Producer nennen den vor 10 Jahren verstorbene DJ Screw aus Houston als ihr Haupteinfluss – leider kann ich hier im Moment nicht mit zu viel Wissen glänzen, ich weiss nur, dass sich DJ Screw die Verlangsamung von Hip Hop Songs auf die Flagge geschrieben hat und Hunderte Mixtapes produziert – dieses herunterpitchen, welches langezogene, ätherische Drones erzeugt, ist das gemeinsame Stilelement von ca. 80% der Bands.

Auf ISVOLT sind auch Bands wie MATER SUSPIRIA VISION vertreten, die ein mysteriöses, okkultes Image pflegen. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Akteuren hinter diesem Image gestaltet?

Es sind meistens ziemlich junge Leute mit strengem DIY-Ethos, aber alle sind sehr glücklich, dass es nun erstmals eine halbwegs professionelle Veröffentlichung mit ihrer Musik gibt.

Wird Robot Elephant auch in Zukunft Releases aus dem Witch House -Bereich herausbringen?

Ja definitiv – wir arbeiten mit einigen der Artists auf der ISVOLT Compilation zusammen, um weitere EPs und LPs heraus zu bringen, Remixes zu machen, und wir wollen auch in Zukunft weiter mit Disaro kooperieren.

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Sebastian Weikart und Anthony Chalmers von Robot Elephant Records

Soweit Sebastian Weikart von Robot Elephant zum Release von ISVOLT. Nach wiederholtem Anhören der Compilation (welches schnell in Dauerrotation ausgeartet ist), kann euer TSN-Schreiberling eigentlich nichts anderes als eine absolute Kaufempfehlung aussprechen, denn als erster grösserer Einblick in die Arbeit dieses bisherigen Undergroundphänomens ist ISVOLT aufgrund des hohen Niveaus aller darauf enthaltenen Tracks bestens geeignet – weitere Expeditionen in das schwarze Herz von Witch House auf eigene Verantwortung sollten allerdings unbedingt erfolgen! Robot Elephant wird euch mit zukünftigen Genre-Releases ein verlässlicher Leuchtturm in der Dunkelheit sein.

White Ring – IxC999 (ISVOLT, Robot Elephant, 2010)
https://soundcloud.com/robot-elephant-r ... ing-ixc999

Mater Suspiria Vision – Ritualzz Of The Crack Witches (ISVOLT, Robot Elephant, 2010)
https://soundcloud.com/robot-elephant-r ... ck-witches

ISVOLT auf Robot Elephant bestellen.

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Zum ungemütlichen Abschluss hier noch ein Video von Salem:



und noch eines von Mater Suspira Vision:

http://www.youtube.com/watch?v=Bmr0Bxb9uuY

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